Das Schicksal der drei gefangenen Elfen ließ mir keine Ruhe.
Der Richter des Ortes und der Militärrichter lagen in Streit, wie mit ihnen zu verfahren war. Der Militärrichter wollte sie nach Militärrecht wegen Rebellion - dieser uralten Geschichte mit der Mordnacht - hinrichten lassen, der Richter dagegen ihnen ein ziviles Verfahren zukommen lassen. Aber der Druck auf den Richter war groß. Der Hass gegen die Waldelfen ist stark in dieser Stadt. Umso mehr hat es mich erstaunt, als ich später erfahren habe, dass auch er das damalige Massaker miterlebt hat. Und trotzdem war er ein Mann der Gerechtigkeit, der sich nicht von Rachegedanken oder ähnlichem leiten ließ. Ein beachtlicher und weiser Mann. Nicht alle Helden kämpfen gegen Monster. Auch der ist ein Held, der allen Widrigkeiten zum Trotz das Richtige tut.
Ich hätte es sicher dabei belassen können, wenn ich nicht zufällig den Plan von ein paar Gestalten mitangehört hätte. Die Bezeichnung "Plan" ist allerdings vielleicht zu hoch gegriffen, wie sich später herausgestellt hat. Es war kein Komplott, keine Verschwörung, sondern viel eher eine Disziplinlosigkeit, eine Saufgeschichte. Ein paar Typen meinten, sie wollten dem Richter einen Besuch abstatten. Ihn womöglich einschüchtern und so sein Urteil trüben.
Ich war hin- und hergerissen.
Einerseits wosllte und will ich nicht in Erscheinung treten. Ein Typ sein, den man vergisst. Nichtmal das, einen der einem nichtmal auffällt. Der zwar da ist, aber so unwichtig erscheint, dass man nichtmal versucht, nicht mal will, dass man ihn bemerkt. Vom Aussehen ein durchschnittlicher Typ, einer von Tausenden. Ohne dass man bemerkt wird, werden einem auch keine Fragen gestellt und man hat seine Ruhe. Im Schatten meiner Begleiter zu stehen hat mir bisher gute Dienste geleistet.
Aber andererseits... sträubte sich alles in mir. Ich konnte als Anhänger der Eldath - als Priester des Friedens - wollte nicht tatenlos bleiben. Ein Todesurteil an diesen Elfen hätte sicherlich sofortige Vergeltung bedeutet. Was weiß ich, vielleicht sogar eine Wiederholung dieser Roten Nacht. Jedenfalls hätte es den Kreislauf des Hasses weiter angetrieben.
Während Fafnir noch geschwächt von seinen Wunden sich zur Ruhe begeben hat, hat Karl mich begleitet, ein Auge auf den Richter zu haben und zu verhindern, dass ihm etwas geschehen wird. Und tatsächlich haben wir 3 Halunken beim Versuch, in das Haus des Richters einzubrechen, stoppen können.
Wer weiß, wie der Prozess ausgegangen wäre, wenn wir in dieser Nacht nicht eingegriffen hätten, sondern uns untätig Schlafen gelegt hätten. So jedenfalls wurde über die Elfen "nur" die Verbannung aus dem vorenischen Imperium ausgesprochen. Ein Imperium, in dem sie ohnehin nicht leben wollten. Sie werden an die Azurküste verbannt. Ein Ort weit im Süden, von dem ich zwar schon gehört habe, zu dem ich aber nichts genaueres weiß.
Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass durch diese Tat der Frieden zwischen dem Imperium und den Waldelfen einkehren wird. Aber für heute wurde Recht gesprochen. Es wurde das Leben dreier Elfen verschont, die den Tod nicht verdient hätten. Und die Eskalation des Konflikts wurde vorerst zumindest verlangsamt.
Eine geringe Tat. Aber ich bin ja auch nur ein geringer Mensch. Und wie auch im Gebirge viele kleine rollende Steine eine Lawine auslösen können, so bin ich überzeugt, dass auch viele kleine Taten irgendwann größere Geschehnisse zur Folge haben können.
Karl rechne ich hoch an, dass er mich bei dieser Idee unterstützt hat. Mich nicht ausgelacht hat oder als naiv bezeichnet hat, obwohl er - wie auch ich - gewusst hat, dass es "besser" wäre nicht in Erscheinung zu treten. Ein guter Kamerad. Ein... Freund.
Fafnir scheint - von einem zugegebenermaßen schlechten Zustand kommend - auf dem Weg der Besserung zu sein, auch wenn er immer noch nicht wieder komplett fit ist. Auch seine Stimmung hat sich mittlerweile gebessert. Er sieht der Zukunft zuversichtlich entgegen. [Wenn auch nur zweidimensional.]
Ah, wo schreibe ich weiter...?
Wir konnten uns der Karawane nach Ishart anschließen. Die Wachmannschaft, die wir unterstützen werden - die Taler-Kompanie - ist ein besonders zwielichtiger Haufen. Und das sage ich als Mitglied eines wahrscheinlich ebenfalls nicht unzwielichtigen Haufens. Ihr Anführer ist ein charismatischer Typ namens Wiegauß. Dann gibt es noch einen redseligen Kannibalen und nach dessen Geschichte bin ich fast froh, dass wir über die anderen nicht mehr erfahren haben, als dass es sich bei ihnen um erfahrene Kämpfer handelt. Mit ihnen ist es bestimmt sicherer in den Zauberöden. Ohne Not würde ich aber keinem von ihnen meinen Rücken anvertrauen. Ein Zweckbündnis ist dies für den Moment, aber kein dauerhaftes, nehme ich an.
Die Karawane bricht in zwei Tagen, vielleicht aber auch schon morgen, auf (Je nachdem, ob Wiegauß einen Kater hat oder nicht). Ich bin gespannt, was uns erwartet. Die Zauberöden werden kein angenehmer Ort sein. Ich gestehe, zum ersten mal scheint mir eine Stadt einladender als die vor uns liegende Natur. Oder das, was von der Natur in diesem Landstrich übrig geblieben ist.